Unlängst durfte ich einer chinesischen Teezeremonie, wie sie im Süden Chinas und auf Taiwan zelebriert wird, beiwohnen. Huang Tsui-Chuan, in Taiwan geboren, führte uns mit viel ästhetischem Feingefühl in die Kunst des Gong-Fu-Cha (die Schule des duftenden Blattes), die sich in der Ming-Dynastie (1368 bis 1644) entwickelte, ein. Dazu wird Oolong-Tee, eine traditionelle chinesische Teesorte, verwendet.
Diese, auf taoistischen Prinzipien beruhende Art, Tee zu trinken, regeneriert und entspannt Körper, Geist und Seele gleichermaßen.
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Bei der Gong-Fu-Cha-Zeremonie sitzt der Gastgeber hinter dem Teetisch, während die Gäste sich um den Tisch herum gruppieren.
Das Kännchen wird zunächst mit heißem Wasser gefüllt, der Deckel aufgesetzt, und nun wird das Kännchen auch von außen mit heißem Wasser übergossen. Anschließend werden auch die Teeschalen mit dem Wasser aus dem Kännchen aufgewärmt.
Nun wird das Kännchen bis zu einem Drittel mit Teeblättern gefüllt. Diese werden dann in kreisenden Bewegungen mit heißem Wasser übergossen. Dann wird wiederum der Deckel auf das Kännchen gesetzt und nochmals mit heißem Wasser von außen übergossen.
Dieser erste Aufguss, der sofort in die Teeschälchen (zum Beduften) abgegossen wird, dient dazu, den Tee zu "waschen". Zugleich öffnen sich durch diesen Vorgang die Blattporen, und die Bitternote der späteren Aufgüsse wird gemildert.
Nun wird ein zweites Mal das Kännchen mit Wasser gefüllt. Nach einer Ziehzeit von ungefähr 10 bis 30 Sekunden gießt man aber die Schalen nicht sofort voll, sondern abwechselnd Schicht um Schicht. Auf diese Weise werden alle Aufgüsse in den Schalen gleich kräftig. Diese Zeremonie wird nun weiter so fortgesetzt, wobei sich die Ziehzeit pro Aufguss jeweils um zehn Sekunden verlängert.
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Wie die meisten traditionellen chinesischen Künste, so bezieht auch die Kunst des Teetrinkens die Harmonie zwischen den drei Mächten - Himmel, Erde und Mensch - mit ein.
Der Himmel sorgt für Sonnenschein, die Feuchte des Nebels und den Regen - alle drei sind für den Anbau von Tee notwendig.
Die Erde liefert den Boden, der die Teepflanzen ernährt, den Ton, aus dem das Teegeschirr geformt wird, sowie die Felsenquellen, aus denen kristallklares Wasser für den Teeaufguss sprudelt.
Der Mensch gibt seine Fertigkeiten bei der Verarbeitung der Teeblätter hinzu und schafft aus Wasser, Teeblättern und Keramik ein kleines Kunstwerk.
Chinesische Anhänger der Tee-Kunst sind oft Liebhaber von Gedichten und Anekdoten über den Tee. So möchte ich an dieser Stelle meine kleine "Teestunde" mit einer Passage eines alten Liedes des Tee-Meisters Chang T'ieh-Chün beschließen:
"Lass deine Laute klingen wie Vogelsang,
Gleich, ob die Welt dir kühl oder freundlich begegnet.
Aus dem Quell unter der blaugrauen Kiefer schöpf das Wasser,
Bring es zum Kochen auf irdenem Ofen, von Bambushecken umgeben.
Nimm Blätter vom Drachen- und Phönix-Tee,
Und bereite daraus den köstlichen Trank.
Dann genieße die Freuden des Yang-Hsien-Tees
In den sieben Trinkschalen des Lu T'ung."
https://de.wikipedia.org/wiki/Chinesische_Teekultur
https://www.china-garten.de
Literatur: Das Tao des Teetrinkens (John Blofeld)
Otto Wilhelm Barth Verlag, 1986.