Dichterisches

24
Jan
2010

...

Vom Grab meiner Mutter

Vom Grab meiner Mutter komm’ ich gegangen.
Fragt mich nichts, ich kann nichts wissen und sagen.
Aus ewigen Schweigens nächtigen Landen
komm’ ich gegangen, vom Grab meiner Mutter.
Mein Sinnen und Sehnen ist dort,
mein verzweifeltes Wähnen,
jenseits von allem.

Mit blutigem Herzen, zerrissen,
mit schweren Füßen,
vom Grab meiner Mutter komm’ ich gegangen.
Des Herzens heiligste, letzte Zuflucht
liegt unter der Erden.
Vielleicht, wenn des Winters Stürme vorüber,
pflanz’ ich Rosen darauf, rote und weiße,
und der Lenz läßt sie glühen und duften,
und des Sommers Sonne umlächelt sie,
und von den Feldern grüßt die Saat herüber
und manche wilde Blume.

Meine Mutter liebte das Feld
und die Saat und die wilden Blumen...
Dann kommt der Herbst,
nimmt alles hinweg,
und dann der Winter...
O, wie mich friert...

Vom Grab meiner Mutter komm’ ich gegangen,
zum Grab meiner Mutter geh’ ich zurück;
des Herzens heiligste, letzte Zuflucht
liegt unter der Erden.
Fragt mich nichts. Was soll ich wissen und sagen?
Unerbittliches Schweigen umfängt
die nächtigen Lande der Toten.

Mutter! Mutter!

Fortweinen möcht’ ich dies Leben,
so weh ist mir
ohne dich.

Mutter, noch einmal nur
sing’ mir dein Wiegenlied,
Mutter, sing’ mich zur Ruh’.

Michael Georg Conrad

20
Jan
2010

Im Nebel



Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,
Als mein Leben noch licht war;
Nun da der Nebel fällt,
ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allem ihn trennt.

Seltsam im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den anderen,
Jeder ist allein.

Hermann Hesse

16
Jan
2010

verschneit...




Verschneit liegt rings die ganze Welt,
Ich hab nichts, was mich freuet,
Verlassen steht ein Baum im Feld,
Hat längst sein Laub verstreuet.

Der Wind nur geht bei stiller Nacht
und rüttelt an dem Baume,
Da rührt er seine Wipfel sacht
Und redet wie im Traume.

Er träumt von künftger Frühlingszeit,
Von Grün und Quellenrauschen,
Wo er im neuen Blütenkleid
Zu Gottes Lob wird rauschen.

Joseph Freiherr von Eichendorff

15
Jan
2010

schwerelos...





schwerelos schwebend
in der Stille geborgen
tiefes Durchatmen

23
Dez
2009

den Engel finden...


Wer Engel sucht in dieses Lebens Gründen,
der findet nie, was ihm genügt.
Wer Menschen sucht, der wird den Engel finden,
der sich an seine Seele schmiegt.

Christoph August Tiedge

21
Dez
2009

Winternacht

Vor Kälte ist die Luft erstarrt,
Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
Nur fort, nur immer fortgeschritten!



Wie feierlich die Gegend schweigt!
Der Mond bescheint die alten Fichten,
Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,
Den Zweig zurück zur Erde richten.

Frost! friere mir ins Herz hinein,
Tief in das heißbewegte, wilde!
Dass einmal Ruh mag drinnen sein,
Wie hier im nächtlichen Gefilde!

Nikolaus Lenau

18
Dez
2009

Erinnerungen...

Alleingelassen bei Erinnerungen

Jetzt sitzt der weiße Schlaf vor allen Wintertüren,
Die Fenster sind gleich blassen Eierschalen,
Dahinter leben Straßen voll Gespenster
Und Stimmen, die uns ferne Menschen malen.

Man kann die Welt nicht sehen und nur spüren.
Wie Blinde ahnt man dunkel das Geschehen,
Alleingelassen bei Erinnerungen,
Die an den Türen wie die Bettler stehen;

Die bei den Ofenflammen warm sich rühren,
Erregt mit nimmersatten Hungerzungen.
Sie können uns an magern Händen führen
Und haben in der Asche noch nicht ausgesungen.

Max Dauthendey

14
Dez
2009

Vorweihnachtstrubel...

Grüner Kranz mit roten Kerzen
Lichterglanz in allen Herzen
Weihnachtslieder, Plätzchenduft
Zimt und Sterne in der Luft.
Garten trägt sein Winterkleid
wer hat noch für Kinder Zeit?

Leute packen, basteln, laufen,
grübeln, suchen, rennen, kaufen,
kochen, backen, braten, waschen,
rätseln, wispern, flüstern, naschen,
schreiben Briefe, Wünsche, Karten,
was sie auch von dir erwarten.

Doch wozu denn hetzen, eilen,
schöner ist es zu verweilen,
und vor allem dran zu denken,
sich ein Päckchen Zeit zu schenken.
Und bitte lasst doch etwas Raum
für das Christkind unterm Baum!

Ursel Scheffler

29
Nov
2009

zum 1. Advent


Robert Campin, *Die Verkündigung* (um 1420-1440)
Musée Royaux des Beaux-Arts, Brüssel



"Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern.
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein..."

Heinz Grosch

21
Nov
2009

Würd es mir fehlen, würd ich's vermissen?

Heute früh, nach gut durchschlafener Nacht,
Bin ich wieder aufgewacht.
Ich setzte mich an den Frühstückstisch,
Der Kaffee war warm, die Semmel war frisch,
Ich habe die Morgenzeitung gelesen
(Es sind wieder Avancements gewesen).
Ich trat ans Fenster, ich sah hinunter,
Es trabte wieder, es klingelte munter,
Eine Schürze (beim Schlächter) hing über dem Stuhle,
Kleine Mädchen gingen nach der Schule, -
Alles war freundlich, alles war nett,
Aber wenn ich weiter geschlafen hätt
Und tät von alledem nichts wissen,
Würd es mir fehlen, würd ich's vermissen?

Theodor Fontane
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